K93 |
Vier tschechische Reiter
8. Februar 2014 |
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In Prag, wo sich der Schreibende ab und zu aufhält, finden sich auffallend viele Denkmäler oder Kunstwerke mit reitenden Menschen. Auf einem Pferd zu reiten, signalierte über lange Perioden der Geschichte Souveränität und Stärke des Mannes, insbesondere von Rittern und allgemein Krieg führenden Männern, ausnahmsweise von Frauen (Jeanne d'Arc). In Tschechien wurden solche Männer - und zwar eben in der Pose des Reitenden - zum festen Bestandteil des Nationalmythos (an erster Stelle der Heilige Wenzel), ähnlich wie die Schweizer es mit bestimmten so genannten Urschweizern aus den Bergen machten (natürlich zuerst mit Schillers Wilhelm Tell, sodann nicht verbunden mit dem Pferd, sondern mit der Armbrust). | ||||||
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Die berühmteste Reiterstatue Prags ist diejenige vom Heiligen Wenzel (Svatý Václav). Wenzel gab der Hauptallee von Prag, dem Wenzelsplatz, auch seinen Namen. Der Heilige Wenzel lebte gemäss Wikipedia im 10. Jahrhundert als böhmischer Fürst aus der Dynastie der Přemysliden. Die besondere Leistung des für seine Zeit offenbar sehr gebildeten Wenzel wird darin gesehen, dass er Böhmen in Verhandlungen mit Heinrich I. einigermassen unabängig halten konnte. Wenzel wurde dann allerdings von seinem um einiges kriegerischen Bruder umgebracht.
Das heutige Wenzelsdenkmal wurde 1912 vom tschechischen Künstler Josef V. Myslbek geschaffen. Im Jahr 2000 wurde Wenzels Todestag, der 28. September, zum staatlichen Feiertag Tschechiens erklärt. Damit nehmen die Tschechen analog zu den Schweizern für ihren Nationalfeiertag auf eine Zeit Bezug, von der man erstes nur wenig weiss (weshalb man umso leichter Mythen darum ranken kann) und die zweitens derart weit zurückliegt, dass mit ihr die Ideologie des Ursprünglichen und vorgeblich einen festen Boden Verleihenden verknüpft werden kann. So wenig wie für den schweizerischen gilt für den tschechischen Feiertag, dass er mit der Gründung des heute existierenden Staates noch etwas zu tun hätte. |
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Denkmal vom Heiligen Wenzel am Wenzelsplatz
(Foto: Kurt Wyss) |
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Nicht unweit vom Standort der Statue vom Heiligen Wenzel und also dem Wenzelsplatz findet sich nochmals Wenzel auf seinem Pferd, hier allerdings parodiert. Offenbar zollte das Pferd dem ewigen Reiten Tribut (oder wurde es vom Künstler eigenhändig erlegt?), während Wenzel weiter unerschütterlich die Haltung wahrt. Der Künstler David Černý, der die Skulptur schuf (zu weiteren Skulpturen von Černý siehe auch Kommentar K31), zerstört die gewohnte Projektion auf Wenzel. Nicht unähnlich dem Regisseur Pařízek, in dessen Aufführung vom Wilhelm Tell eben dieser Tell mit seiner Armbrust statt den Apfel seinen Sohn trifft (vgl. Kommentar K85). Die Skulptur von Černý befindet sich in der schönen Lucerna-Passage. |
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Parodie auf den Heiligen Wenzel (von David Černý)
(Foto: Kurt Wyss) |
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Jan Žižka von Trocnov (1360-1424) war ein offenbar ziemlich brutaler Heerführer der Hussiten (auch verantwortlich für den Ersten Prager Fenstersturz), der gemäss Geschichte nie eine Schlacht verlor. Žižka schlug mit seiner Armee am 14. Juli 1420 ein gegen die Hussiten ins Land geschicktes Heer, dieses auf Vítkov in Prag, wo das abgebildete Denkmal heute auch steht. Gemäss Wikipedia gilt das 9 m hohe und 16,5 Tonnen schwere Monument als die grösste Bronzestatue der Welt. Žižka gab dem Prager Quartier Žižkov den Namen. Gemäss Wikipedia entstand die Idee zu diesem Monument schon 1877, doch wurde mit dem Bau erst 1928 begonnen und eingeweiht wurde es erst 1950. |
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Denkmal für Žižka in Prag (auf Vítkov)
(Foto: Kurt Wyss) |
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Das an den Schriftsteller Jaroslav Hašek (1883-1923) erinnernde Denkmal befindet sich - wie dasjenige von Žižka - im Prager Quartier Žižkov. Während der Heerführer in dessen Denkmal geradezu Teil seines Pferdes ist und monumental, gilt für die Statue von Hašek ("Der brave Soldat Schwejk") das genaue Gegenteil, gar nicht richtig auf dem Pferd (das auch eher einer Theke gleicht) und fragil. Hašek führte ein verqueres, verrücktes Leben, ganz so wie sein Held Schwejk. Würde er heute leben, würde man ihm mit Sicherheit (noch) kein Denkmal setzen. Das tun die hohen Herren und Damen erst, wenn sie nichts vom Betreffenden mehr zu befürchten haben, sie sich plötzlich in dessen Ruhm sogar noch sonnen können. Während der Heerführer Žižka auf dem Hügel hoch über der Stadt thront, von weit herum sichtbar, steht oder sitzt Hašek mitten im Quartier, wo er auch zuhause war, auf einem unscheinbaren Platz. Sehr menschlich gemacht! Die Skulptur von Hašek wurde von Karel Nepraš geschaffen und 2005 eingeweiht. |
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