K61 | Mondnacht Zum Gedicht von Joseph von Eichendorff 2. Juni 2012 nach einem Hinweis von der Soziologin Iva Sedlak |
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Das Gedicht "Mondnacht" stammt von Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857) und wurde im Jahr 1837 veröffentlicht. | |||||
Mondnacht Joseph von Eichendorff Es war, als hätt der Himmel Die Luft ging durch die Felder, Und meine Seele spannte |
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Natürlich lässt sich am Gedicht das Romantische, die bürgerliche Naturlyrik, die Überzuckerung des für die meisten Menschen harten und nicht "freiherrlichen" Lebens leicht kritisieren. Das Gedicht enthält in der Tat jenes Moment des verschleiernden Zwecks des (scheinbar) Zweckfreien, von dem im letzten Kommentar zur Halbbildung (K60) die Rede war. Es enthält aber auch ein anderes Moment, ein Moment, das in der Entstehungszeit des Gedichts noch nicht in den Vordergrund treten konnte, weil die zwei Welten des Zweckhaften und des (scheinbar) Zweckfreien - wie es im Gedicht Sprache findet - nicht konfrontiert wurden und also die im Zweckhaften steckende Problematik von Natur- und Menschenbeherrschung keine grundsätzliche Kritik erfuhr. Darin steckte das Versäumnis jener Zeit. In der Gegenwart nun aber, wo die Welt des Zweckhaften zum gesellschaftlich Ganzen aufgespreizt ist, kann jenes andere Moment zumindest aufleuchten, kritisch aufleuchten. Gemeint ist der Hinweis auf so etwas wie unbeherrschte Materialität oder auf das, was von Adorno als das Nichtidentische oder als das Begriffslose bezeichnet wurde. Dieses Begrifflose ist heute - im Unterschied zu damals, wo es als Abgehobenes - und eben nur als Abgehobenes - Geltung beanspruchte, total verdrängt, der Hinweis auf es als ein gesellschaftlich Verdrängtes notwendig kritisch, und dieses Kritische entfaltet das Gedicht erst und gerade im Kontext der Gegenwart. Man stelle sich vor, das Gedicht heute und zwar mit Bezug zu heute vorzutragen, etwa im Rahmen einer Lehrveranstaltung; es würde sofort kritisch. Man hört es schon, das neoliberale Gebrummel: Wozu soll das gut sein, was ist der Nutzen, was können die Studierenden daran lernen für ihren späteren Beruf? "Wer noch weiss, was ein Gedicht ist, wird schwerlich eine gutbezahlte Stellung als Texter finden." (Adorno) Plötzlich vermag das Gedicht von Eichendorff auf das Malaise hinzuweisen, auf das hermetische Eingeschlossensein in einer gesellschaftlichen Vernunft, die nur Fremd- und Selbstbeherrschung kennt, keine Versöhnung, kein Begriffsloses, keine Spekulation, keine wirklichen Bilder ... |
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