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Die Attacken von rechts gegen alles nicht Funktionärshafte entsprechen dem - von den Menschen nach wie vor nicht zu ihren Gunsten gebrochenen - logischen Gang der Geschichte
Einsichten im Anschluss an Max Horkheimer und an die Tagespolitik 25. Juni 2011 |
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Die auch gegenwärtig beständig erfolgenden Attacken von rechts gegen alles nicht Funktionärshafte basieren nicht primär auf den Vorstellungen irgendwelcher politischer Irrläufer, sondern widerspiegeln den - worauf vor allem Max Horkheimer aufmerksam machte - logischen, von den Menschen nach wie vor nicht zu ihren Gunsten gebrochenen Gang der Geschichte. In diesem logischen Gang nahm und nimmt das, was Horkheimer als die "instrumentelle Vernunft" bezeichnete, eine immer übermächtiger werdende Stellung ein. Dies erklärt sich - worauf hier nicht näher eingegangen werden kann - mit dem wirtschaftlichen Zwang zu fortwährender Mehrwertabschöpfung vermittels einer auf instrumenteller Vernunft basierenden Produktion und der diese stützenden zwischenmenschlichen Konkurrenz im Tausch. | |||||
Max Horkheimer
Zur Kritik der instrumentellen Vernunft In: Ders.: Gesammelte Schriften, Band 6. Herausgegeben von Alfred Schmidt. Fr.a.M.: S. Fischer 1991: S. 21 – 186. ursprüngliche englische Fassung: |
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Der enorme auf den Menschen lastende Druck, sich als möglichst geeignetes Instrument feil zu bieten, um in der Tauschordnung zu bestehen und nicht funktionslos gemacht zu werden, widerspricht der inneren Natur der Menschen, deren Bedürfnis nach einem ebenso freien wie sicheren und glücklichen Leben. Die innere Natur - Horkheimer spricht von der "Revolte der Natur" - revoltiert deshalb beständig, und historisch wurden zugunsten jenes gesellschaftlichen Drucks Mittel entwickelt und tradiert, um diese Revolten der Natur in bestimmter Weise zu kanalisieren.
Dabei kommt wesentlich jener Mechanismus ins Spiel, der von Max Horkheimer und Theoder W. Adorno in der "Dialektik der Aufklärung" (im Abschnitt: "Elemente des Antisemitismus") als "falsche Projektion" bezeichnet wird und vermittels dem die Revolte der inneren Natur von der eigentlichen Ursache weggelenkt werden kann. Von der Ursache der Unterdrückung, d.h. von der im geschichtlichen Gang drinsteckenden strukturellen Gewalt wird die Revolte auf die im gesellschaftlich engeren Sinn gesehen funktionslos Gemachten oder zu funktionslos Erklärten weggelenkt. Es kann die Angehörigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft treffen, die SozialleistungsbezügerInnen, "die" AusländerInnen, "die" Fahrenden, "die" Jugendlichen, usw. Dadurch, dass man diese zu den Schuldigen und also zu den Sündenböcken erklärt, gibt man der so genannten Normalbevölkerung ein Mittel in die Hand, das, was sie unbewusst in sich verdrängt - die von der inneren Natur ausgehende Kritik an der Funktionärshaftigkeit, mithin das sich Geltenmachen des Bedürfnisses nach so etwas wie einem Glück im Funktionslosen - ausserhalb verdrängt, verdrängt eben an den jeweils von den politisch Herrschenden produzierten Sündenböcken. So gesehen erhalten die gesellschaftlich funktionslos Gemachten respektive zu Funktionslosen Erklärten hinwiederum doch eine - freilich unheimliche - gesellschaftliche Funktion. Sie haben als Zielscheibe jener abgelenkten Revolte der Natur zu fungieren. Genau genommen ist die Revolte der Natur damit gleichsam um 180 Grad gedreht, das heisst statt gegen die strukturelle Gewalt zum Funktionärshaften gegen die gesellschaftliche Funktionslosigkeit gewendet. Sie erfolgt also zugunsten des Funktionärshaften und des damit einhergehenden Drucks. Gleichzeitig braucht sie nicht niedergeschlagen zu werden, sondern sie kann sich gar - und zwar eben an den herrschaftlich produzierten Sündenböcken - austoben. Der Mechanismus der falschen Projektion und die mit ihm einhergehenden verbundenen Attacken gegen alles funktionslos Gemachte respektive zum Funktionslosen Erklärten sind - und darauf soll es hier vor allem ankommen - als ein festes Moment des logischen Gangs der Geschichte anzusehen, und eben nicht etwa als Irrläufer. Hierzu ein paar dieser Attacken: |
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"Man soll diese Arbeitsscheuen zur Zwangsarbeit aufbieten, sie alle in ein möglichst auffälliges Uebergewand stecken, sie im öffentlichen Raum für alle sichtbar arbeiten lassen." "Man soll ihnen den Zutritt zu gewissen Bereichen verwehren, damit sie die Luft nicht verpesten." "Man soll ihnen möglichst wenige Mittel zukommen lassen, da viele Rechtschaffene im Vergleich zu ihnen um einiges weniger haben." "Verdeckte Ermittler sollen sie überwachen, sie in die Wohnungen hinein verfolgen und wo nötig anzeigen." "Bitte melden Sie, wenn eines dieser Subjekte sich hervortut (z.B. gar in einem Automobil unterwegs ist)". |
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Zwei Fragen dazu: Sind das Sätze, wie sie in der Nazizeit gegen die Juden gebräuchlich waren, oder sind das Sätze, wie sie heute gegen Bezügerinnen und Bezüger von Sozialleistungen gebräuchlich sind? Wenn Sie nicht unterscheiden können, was schliessen Sie daraus? | |||||
Stellen Sie sich das Bild des brennenden BMWs vor - Sie wissen schon ...
(vgl. NZZ vom 21. Juni 2011, S. 17 (Bild vom 1. Mai 2007) ) Stellen Sie sich dasjenige des brennenden Reichtags vom 27. Februar 1933 vor |
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Was glauben Sie, wer hat wo was für ein Verbrechen in welcher Grösse begangen? Der von diversen Politikern und genauso Journalisten (vgl. dazu Kommentar K7) angeheizte und für sich - wie dargelegt - gesellschaftlich funktionale Mechanismus der falschen Projektion gegen die funktionslos Gemachten oder zu Funktionslosen Erklärten nährt sich davon, wider jedes bessere Wissen alles Böse in diese hinein zu projizieren. Wer die diffamierten Menschen sind, wie es ihnen geht, welches Leben sie führen, wie sie denken ... (oft denken sie übrigens genauso wie die sogenannte Normalbevölkerung) ... das interessiert nicht. Man will es ohne Hinsehen - fast wie zwangsneurotisch - immer schon wissen oder gewusst haben und springt auf jedes angeblich für das Böse sprechende Indiz; ganz wie die Pawlowschen Hunde. Hinweis: Falls Sie einer befreundeten oder bekannten Person, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, Ihr Auto ausleihen, müssen Sie im Kanton Zürich möglicherweise schon bald damit rechnen, dass man dieser Person - wenn dem AMT bekannt wird, dass diese Ihr Auto fährt - die Sozialleistungen kürzt. Das politische Postulat, dass dem so sein soll, wurde letzte Woche vom Zürcher Kantonsrat an die Regierung überwiesen: |
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"POSTULAT betreffend Autos und Sozialhilfe
Der Regierungsrat wird eingeladen zu prüfen, wie das Sozialhilfegesetz dahingehend abgeändert werden kann, dass Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger während der Zeit ihrer Fürsorgeabhängigkeit keine Fahrzeuge mieten, besitzen oder zu Eigentum erwerben dürfen. Zudem darf ein Fahrzeug keiner Drittperson zum Gebrauch überlassen werden. Bei Zuwiderhandlung erfolgt eine Leistungskürzung um die Summe der errechneten Kosten des Autos. Ausnahmen können bewilligt werden, wenn das Auto zur Generierung eines eigenen Erwerbseinkommens und damit zur Senkung der Sozialhilfeunterstützung führt. Auch für Fahrten, welche gesundheitlich notwendig sind und nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vollzogen werden können, können Ausnahmen bewilligt werden. Begründung:
Die Unterhaltskosten eines Autos betragen, auch für bescheidene Modelle, monatlich mindestens 500 Franken. Mit der Grundentschädigung von 960 Franken gemäss SKOS kann sich nach «Adam Riese» keine Sozialhilfeempfängerin und kein Sozialhilfeempfänger diesen Luxus leisten. Die meisten Fahrzeuglenker erhalten diese Möglichkeit durch Überlassung Dritter. Folgerichtig wäre es diesen Dritten auch zuzumuten, weitere lebensnotwendige Entschädigungen der Fürsorgeabhängigen zu übernehmen. Ferner benötigen Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger grundsätzlich kein eigenes Auto. Sie belasten damit unnötig die Umwelt und können ihre Aufgaben mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen." Das hier zitierte Postulat wurde im Zürcher Kantonsrat eingereicht am 3. März 2008 (KR-Nr. 84/2008) von Peter Preissig, Hansruedi Bär und Beat Stiefel (alle SVP) und am 20. Juni 2011 vom Kantonsrat des Kantons Zürich genehmigt (86 zu 84 Stimmen). Die VertreterInnen von SVP, FDP, CVP, EDU stimmten ja, zwei VertreterInnen der GLP enthielten sich der Stimme, die übrigen VertreterInnen der GLP sowie die VertreterInnen von SP, GP stimmten nein. |
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Immerhin - und das muss man heutzutage fast mit Überraschung vermerken - stimmte die Linke gegen die Überweisung des Postulats. Freilich macht auch diese ohne Weiteres mit, wenn es darum geht, die Wirtschaft auf noch schnelleren Touren drehen zu lassen. Sie merkt nicht und wird es wohl nie merken (vgl. auch die Kommentare K23 und K28), dass sie selber die Logik mitbetreibt, innerhalb derer die beschriebene Reaktion ein festes Element bildet und worüber sie dann - im Grunde scheinheilig - sich beklagt. Es gälte den über die Menschen hinweg respektive durch sie hindurch schreitenden logischen Gang der Geschichte - und zwar eben zugunsten der Menschen - zu brechen. Ein unabdingbarer erster Schritt dazu bestünde darin, ihn zu durchschauen. |
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